📚 Hub Books: Онлайн-чтение книгИсторическая прозаИсторические происшествия в Москве 1812 года во время присутствия в сем городе неприятеля - Иоганн-Амвросий Розенштраух

Исторические происшествия в Москве 1812 года во время присутствия в сем городе неприятеля - Иоганн-Амвросий Розенштраух

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Die abreisende Familie nahm nur die allernöthigsten Bedürfnisse mit, weil kaum Platz für die Personen im Wagen war; alles andre blieb zurück. Deshalb bat mich Herr Schilling, in seinem Hause wohnen zu bleiben, und die Aufsicht, sowohl über seine Effecten, als zurückgelassenen Commissions-Waaren zu übernehmen.

Ich muß noch einen, und zwar den Hauptgrund anführen, weßhalb ich in der Nacht vom Freitag auf den Sonnabend, meine Wohnung an der Schmiedebrücke verließ. Der Graf Rostoptschin hatte mehrere gedruckte Auffoderungen an das Volk ergehen lassen, sich zu bewaffnen, und beym ersten Ruf, sich auf den Sperlingsbergen zu versammeln, und jedem Ausbleibenden ward die härteste Strafe angedrohet. Mein Kutscher, ein junger verwegener Kerl, mit einer Satansphysiognomie, brachte daher alle Tage eine Menge ihm gleichgesinnter Kerle, auf unsern geräumigen Hofe zusammen, mit denen er exercirte, lärmte, und sie harangirte. Er sagte ihnen oft, daß nun endlich das Blatt sich gewendet hat, die Leibeigenen, Herren, und die bisherigen Herrschaften entweder todtgeschlagen oder Bauern werden müssen. Schweigend mußte ich dieses Unwesen dulden, und mein nothgedrunges Schweigen, machte den Kutscher mit jedem Augenblick frecher, so daß er endlich meine Tochter in die Backen kniff sie küssen wollte, über ihr Sprödethun spottete und sich zu sagen erfrechte: Sie werde bald anders denken, und ihm danken, wenn er ihr Beschützer seyn würde. Als ich in der Nacht vom Freitag erfuhr, daß der Kutscher und sein Anhang nicht zu Hause sind, benutzte ich die Zeit zur Flucht in das Schillingsche Haus. Kaum war aber meine Tochter mit dieser Familie abgereist, so fiel es mir ein, wie grimmig und erbittert der Kutscher seyn wird, wenn er weder meine Tochter, noch mich bey seiner Rückkunft im Hause finden würde. Jetzt stieg in mir die Besorgniß auf, daß dieser verwegene Kerl, unsern Aufenthalt entdecken, und welche Gefahr – nicht sowohl für mich – denn ich trug, wie man zu sagen pflegt, die ganze Zeither mein Leben in meiner Hand – sondern dem Schillingschen Hause, an Effecten und Waaren durch die Bosheit dieses Menschen gebracht werden könnte. Daher dachte ich auf einen Zufluchtsort, damit ich nicht im Schillingschen Hause gefunden würde, wenn der Kutscher mich dort suchen sollte, und denken muß: ich sey mit der ganzen Familie abgereiset. Daß unsere Armee eine Schlacht verloren habe, und Napoleon schon auf russischem Gebiet stehe, wußte man in Moskau, und sah es an den vielen Verwundeten, welche durch die Stadt zogen, aber ich zweifle, ob jemand, außer dem Generalgouverneur, und seinen vertrautesten Freunde, nur an die Möglichkeit gedacht habe; daß Napoleon bis Moskau vordringen könne? Noch am 31sten August erschien ein kurzes Bületin, worin im Namen des Feldmarschalls Kutusow, bekannt gemacht ward, daß er am gestrigen Tage die Franzosen total geschlagen habe, und wenn er – woran er nicht zweifle – sie den andern Tag wieder so besiegen würde, so soll kein Einziger von den eingedrungen Feinden lebendig über die russische Gränze kommen und heimkehren. – Den Datum der Schlacht, und den Ort, habe ich vergessen. Ich weiß nicht, was die Landeseinwohner von der wahren Lage der Dinge wußten, und dachten, da mein, wie alle Magazine an der Schmiedebrücke geschlossen waren, und niemand kam, von dem man etwas gewisses erfahren konnte. Aber die Ausländer suchten gegenseitig bey einander Rath und Trost, so oft sie in dieser ganzen Zeit ohne Gefahr zusammen kommen konnten. Bey einer solchen Gelegenheit, sagte mir der Theatermaler Herr Czermack – der den Muth hatte, für die ersten gefangenen Franzosen, welche sehr abgerissen waren, aus reinem Gefühl der Menschlichkeit, ohne an der Nation Anhänglichkeit zu haben, eine Collecte – nicht ohne Gefahr für sich – zu sammeln, und in dieser Absicht auch zu mir gekommen war. Ich wohne bey einem russischen Geistlichen, in der Pereulock Lawrentie Nawrasche, nahe an der Twerskoy, u. dieser hat mir versprochen, mir, und einigen meiner Freunde, einen geheimen, sehr sichern Aufenthaltsort, unter dem Altare seiner Kirche anzuweisen, wo kein Mensch uns finden, und wir für alle mögliche Gefahr gesichert seyn sollen. – Herr Czermack, foderte mich daher auf sogleich zu ihm zu kommen, wenn ich in meiner Wohnung nicht mehr bleiben könnte, und gab mir die genaueste Beschreibung seines Hauses, um es sogleich finden zu können. Hätte ich an diesen Zufluchtsort früher gedacht, so würde ich ihn dem Schillingschen Hause vorgezogen haben, dann aber wäre meine Tochter mit dieser Familie nicht abgereiset, hätte nachher in größere Gefahren gerathen können, alle Angst und Gräul während dem Brande und nachheriger Plünderung mit ansehen müssen; endlich aber, was die Hauptsache für sie, und mich war, wir beyde keinen so überzeugenden Beweis, von der tröstenden Kraft eines gläubigen Gebets erhalten, wie der Herr uns zwey Stunden vor ihrer Abfahrt gnadenreich gewähret hatte.

Sonntag ganz früh (den 31sten August) fiel mir das Anerbieten des Herrn Czermacks plötzlich ins Gedächtniß, und mit dem Beginn des Tages suchte ich seine Wohnung auf, und ward auf das Herzlichste, von ihm und seiner Frau aufgenommen. Ich fand seinen Hauswirth den Geistlichen, beschäftiget, seine junge, schöne Frau aus der Stadt zu schicken. Auch er hieß mich recht freundlich willkommen, und sagte, daß er es für gut halte, lieber seine Frau, zu ihren in der Nähe Moskaus wohnenden Eltern abzufertigen, als hier zu behalten, und sobald sie abgereiset seyn würde, wolle er desto ruhiger mit Herrn Czermack, und mit mir, dessen Freunde, recht brüderlich leben, alle Gefahr theilen, uns mit seinem Ansehen schützen etc. Kaum war aber die Frau eine viertel Stunde abgefahren, als der Priester sich wie ein Wahnsinniger zu gebärden anfing. Er warf sich auf die Erde, raufte sich Kopf und Barthaare aus, zerschlug sich das Gesicht, schrie und heulete darüber, daß er seine Frau habe allein wegfahren lassen etc. Ich rieth ihm, ihr so schnell als möglich nachzueilen, da sie noch nicht bis zur Sastawa gekommen seyn konnte. Kaum hatte er mich begriffen, so eilte er, ohne Hut, so wie er sich von der Erde aufgerafft hatte, spornstreichs, seiner Frau nach, die er auch noch einholete, – wie ich nach einigen Monaten von ihm erfuhr. Der versprochene geheime Verbergungsort in der Kirche, blieb uns daher unbekannt. Der Sonntag verging uns ohne merkwürdige Ereignisse, da wir im Zimmer blieben, niemand fremdes sahen, und also auch nichts erfahren konnten, was in der Stadt vorging. So viel sahe ich jedoch einige Stunden nach meiner Ankunft bei Hr. Czermack ein, daß diese Straße noch weniger Sicherheit gewähre, wie die Schmiedebrücke; weil, erstens der Hr. Czermack der einzige Deutsche war, der in dieser Quergasse wohnete, und weil seine Wohnung von lauter Hurenhäusern umringt war. Auch Hr. Czerm. sah endlich ein, wie unsicher unsere Wohnung war, und darum foderte er mich auf, mit ihm zu einem in der Nähe wohnenden Lampenfabrikanten, namens Knauf zu gehen, dessen Haus einer kleinen Festung glich, und dessen zahlreiche Fabrikarbeiter, angeblich ihren Herrn sehr ergeben waren. Wir baten Herrn Knauf uns in sein Haus aufzunehmen, weil wir in unserer Wohnung Vogelfrey wären, und er für seine Person, an zwey deutsche gesunde Männer, theils Beystand, theils Aufseher, über seine Arbeiter erhalten würde. Er schlug es hartnäckig ab, und versicherte uns, daß er sich auf seine Leute verlassen könne. Nun so wird uns Gott schützen, sagte Hr. Cz. mir aus der Seele gesprochen. Montag Morgens ward es sehr lebhaft auf der Straße, und wir sahen Männer, Weiber und Kinder, mit Flinten, Säbel, und Pistolen bis zum Erdrücken bepacket, nach ihren Wohnungen eilen, auch zum Theil vor ihren Thüren hinwerfen, und wieder forteilen, welches wir uns nicht erklären konnten, da es den ganzen Vormittag fortdauerte, und wir doch auch wieder nicht auf die Straße gehen, u. fragen wollten. Nachher erfuhren wir, daß noch am Sonntage ein Bülletin erschienen war, welches befahl: Am Montag früh sollten alle männliche Einwohner Moskaus nach dem Arsenale eilen, sich dort zu bewaffnen, und dann auf die Sperlingsberge rücken sollten. Dieser Aufforderung zu folge, fanden sich viele im Kreml ein, und fanden zwar das Arsenal offen, aber niemanden der ihnen sagte, was sie nehmen, und wo sie sich versammeln sollten? Jetzt griff jeder zu, nahm was ihm gefiel, eilte nach Hause, sagte dieses den Seinigen, und allen die ihm auf dem Heimwege begegneten; nahm Alle, selbst Kinder mit, die nur etwas tragen konnten, und so vermehrten sich die Nehmer und Träger mit jeder Stunde, bis zum Augenblick, wo die Franzosen in die Stadt zogen. Der Herr Graf Rostoptschin wußte natürlich vorher, daß das Arsenal dem Feinde in die Hände fallen wird, und rettete auf diese Weise viele Waffen, welche die Einwohner während der Invasion, versteckt, und verborgen hatten, nachher aber wieder abgeben mußten, als die russische Behörden in Moskau eingezogen waren. Zum Glück hatte das Volk kein Pulver, sonst würde viel Blut geflossen seyn, da alle Kabacken ohne Eigenthümer und geöffnet waren, die Polizey bereits dem Grafen aus der Stadt gefolget war, diese große Stadt, ohne Obrigkeit blieb, jeder ungescheuet thun konnte, was er wollte, und ein großer Haufe Volks schon versammelt war, als der junge Weretschagin durch die Straßen geschleifet, und der Volkswuth – als ein Landesverräther übergeben worden war, welchen der Graf, (im Augenblick seiner Abreise) der Polizey nicht mitzunehmen befahl. Es wäre allerdings zu wünschen, daß die Franzosen nie bis Moskau vorgedrungen wären; aber es war auch gewiß eine gnadenreiche Fügung Gottes, daß sie noch an diesem Tage kamen, weil in dem Zustand der Anarchie, und noch durch Brandtwein erhitzten Köpfen bey aller Freyheit zu ungestörter reichlicher Plünderung, und dem allgemeinen Hasse gegen die Ausländer, wäre vielleicht kein einziger Fremder am Leben geblieben; und sie würden sich auch an ihren Landsleuten vergriffen und in ihrer Trunkenheit unter einander viel Blut vergossen haben.

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